Gamestop: Was passiert da gerade?

Dynamische Prozesse lösen häufig Irritationen aus, wie man aktuell bei den Vorgängen der jungen Trader um die Gamestop-Aktie sieht. Es geht sogar so weit, dass von Panik gesprochen wird. Was ist da los?

Die amerikanische Einzelhandelskette Gamestop war für einige Hedgefonds ein Angriffsziel u. a. für Melvin Capital. Hedgefonds sind Investmentfonds mit der Ausrichtung auf stark spekulative Anlageformen (siehe zur Erklärung: https://www.finanzfluss.de/geldanlage/hedgefonds).

Vermögende Privatanleger und institutionelle Anleger (Versicherungen, Pensionsfonds etc.) investieren in sie und können ihr Portfolio renditestark abrunden. Hedgefonds nutzen häufig Leerverkäufe und gehebelte Finanzierungen für die Erzielung von teilweise beträchtlichen Renditen; man kann sagen, dass Hedgefonds so etwas wir ein Herzstück des Kapitalmarktes sind.

Im Mittelpunkt stehen Leerverkäufe: hier wetten die Fonds auf sinkende Aktienkurse; der Leerverkäufer verkauft die Aktien, die er dann zu einem späteren Zeitpunkt billiger am Markt einzukaufen versucht. Bei einem gedeckten Leerverkauf hat er sich zuvor die Aktien ausgeliehen (er muss sie dann auch zurückgeben zu einem vereinbarten Termin, dafür erhält der „Vermieter der Aktien“ eine Gebühr).

Der entscheidende Punkt für den Spekulanten ist: er macht nur Gewinn, wenn der Kurs der Aktie auch fällt. Wenn sich nun Kleinanleger über das Internet (über Reddit z.B. wie in diesem Fall – der Bereich heißt „WallStreetBets“) zusammentun und gemeinsam Aktien dieses Unternehmens kaufen, dann wird der Kurs stabilisiert und steigt sogar. Der Aktienkurs von Gamestop stieg vom 4. Januar 2021 von 17,25 Dollar auf bis zu 427 Dollar am gestrigen Donnerstag (28. Januar 2021), sank aber dann wieder beträchtlich ab (im Handelsverlauf des Tages auf unter 200 Dollar).

Das sind extreme Kursbewegungen, die die Aufsicht und auch die Politik beunruhigen. Laut einer Aufstellung der Börse Stuttgart war Gamestop eine der meist gehandelten Aktie in den vergangenen sieben Tagen. Die jungen Trader, die teilweise aus spielerischer Absicht, teilweise auch aus politischer Ablehnung gegenüber Hedgefonds handelten, konnten mit ihrem Tun erreichen, dass die Hedgefonds durch den notwendigen Aktienkauf (um die Aktien an die Vermieter zurückzugeben) die Kurse nach oben trieben (das nennt man „Short squeeze“) und in eine Schieflage gerieten. Der amerikanische Hedgefonds Melvin Capital musste deswegen von zwei Konkurrenten gerettet werden – mit einer Kapitalspritze über 2,75 Milliarden Dollar. 

Konsequenz: Der Handel mit der Aktie wurde am gestrigen Donnerstag in New York und auch anderswo von den Brokern eingeschränkt. In Deutschland konnten Kunden des Neobrokers Trade Republic am Donnerstag nur noch eingeschränkt oder gar nicht mehr handeln, in Amerika schränkte am Donnerstag auch der Online-Broker Robinhood den Handel mit weiteren Titeln ein (Nokia, Blackberry u.a.).

Zur Bewertung: Diese Turbulenzen sind der Ausdruck eines technologisch ermöglichten (Internet) Herdentriebes, durchsetzt mit Stories aus dem Milieu der bankenkritischen Internetnutzer. Man kann auch sagen: eine etwas aus dem Ruder geratene Crowd erkannte die Möglichkeit die Kapitalmärkte zu bewegen und sogar zur Gefahr für Hedgefonds zu werden, was wiederum die Investoren der Hedgefonds beunruhigen dürfte. Einmal aus der Büchse gelassen, wird sich dieser Nutzerschwarm nicht mehr so schnell einfangen lassen. Natürlich werden die Regulierungsbehörden tätig werden, denn der Vorwurf der Marktmanipulation steht im Raum – aber sobald der Schwarm seine Macht erkannt hat, wird es solche Ausbrüche öfters geben. Den Schwarmanlegern sei geraten, lieber bewusst zu investieren (z.B. durch Crowdinvesting) und sich nicht durch rein soziologische und psychologische Motive bewegen zu lassen.

Schreibe einen Kommentar